Czirp-en im “Konge”

Sound- und Musikperformances im Schwimmbad

Club Radiokoje – Czirp-en im “Konge”.

Am 22. Juni fand die CLUB RADIOKOJE 2019 statt und heiterte den regnerischen Sommernachmittag im Kongressbad mit Soundperformances von Elisabeth Schimana, Hui Ye, Benjamin Tomasi und Magnetoceptia auf. Das Wasser schwappt am Beckenrand über – es gurgelt, plätschert, blubbert. Schwimmer*innen setzen es in Bewegung und drücken das Nass in Wellen vor sich her. Ihre Impulse verwandeln das Becken in ein Gefäß kühl-blau schimmernder Marmorierung. Bewegung und besonders Klang setzen sich im Wasser schnell und weitläufig fort. Im Rahmen der jährlichen Veranstaltung CLUB RADIOKOJE fordert czirp czirp – experimental and sonic arts den Klang daher am Schwimmbecken heraus – verflüssigt, verzerrt und führt ihn in andere Aggregate über. Dieses Jahr haben wir einen besonderen Fokus auf ortspezifische Performances und das Experiment gelegt.

Performerin Narziss und Echo im Blubberbad (2019). Photocredit: Joe Albrecht

Unter dem Dach des Buffets auf dem Hügel über dem Bad gurgelt es. Ursprünglich für den Beckenrand konzipiert, kommen die Klänge der Random-Composition Narziss und Echo im Blubberbad (2019) des Medien- und Klangkünstlers Benjamin Tomasi – jetzt überdacht – aus Wasserschalen. Mit Kontaktmikrofonen versehene Cocktail-Trinkhalme übertragen das Blubbern von freiwilligen Performer*innen, die sich in diesem partizipativen Setting in der Wasseroberfläche und Spiegeln am Boden reflektieren. Die algorithmisch generierte Komposition verquickt die jeweiligen Kanäle in ein gluckerndes Echo, das den Mythos der in Selbstverehrung gefangenen Liebe zwischen Narziss und Echo mit den individuellen Echo-Kammern heutiger sozialer Medien in Beziehung setzt.

Publikumsaufnahme Water Ritual – the pool session (2019). Photocredit: Joe Albrecht

Ganz anders greift die Komponistin Hui Ye das Setting am Pool auf. Sie wandelt elektronisches in Wasserrauschen und bietet in ihrem Hörspiel Water Ritual – the pool session (2019) eine fragmentierte Vorstellung von Erholung zwischen Maschinen-sausenden digitalen Datenströmen und dem menschlichen Bedürfnis, sich im Prozess der Natur eingebettet zu fühlen. Ihr Versprechen – genauso gerastert wie die algorithmische Funktion – besteht aus Textfragmenten einer esoterisch-technoiden Wellnessanleitung und ist ein künstliches Erlebnis. In Computersprache: cmd.pseudo-relaxation.exe.

Elisabeth Schimanas Sonic Picknick. Photocredit: Joe Albrecht

Elisabeth Schimanas Sound Environment setzt auf die Manipulation des Phänomens Klang. Auf einer Picknickdecke legten Badegäste eine Auswahl von Chansons auf einem Kofferplattenspieler auf (Hildegard Knef, Zarah Leander u.a.). Während wir im Gras aus der Ferne die melodischen Stimmen der Vergangenheit hören, fegt Schimanas elektroakustisches Set diese mit einer Mischung aus Noise- und Fieldrecordings immer wieder hinweg. Der musikhistorische Bezug ist bei dieser Performance bedeutend, denn die CLUB RADIOKOJE versteht sich als Update öffentlicher Badekultur und knüpft an die Geschichte des ehemaligen Arbeiterbads am Kongresspark, kurz „Konge“ genannt, an. Von 1928 bis in die 1980er Jahre unterhielt die lokale „Radiokoje“ die Badegäste mit Tanzprogramm und Musik. Schimana schlug einen Bogen zur Generation, die diese Badekultur noch erlebt hat.

Zeitzeuge Ferry Kovarik im Gespräch mit Lona Gaikis und Historiker Maximilian Hartmuth. Photocredit: Joe Albrecht

Trotz Verbots setzte sich die Radiokoje auch während der NS-Zeit mit verbotenen Swing- und Jazzplatten fort. Von Bademeistern und -Gästen gedeckt, behauptete sich die rot-weiß gestreifte Bastion des Roten Wien als Hort von Widerstandskämpfer*innen und Kriegsverweigerern, die im Erholungsbad ihre mitunter selbst zugefügten Verletzungen ausheilen ließen, um der Front zu entgehen. Die Neuauflage der CLUB RADIOKOJE versteht sich als #radioresistance, die die emanzipatorische Funktion des Bads als Ort einer offenen Gesellschaft fortschreibt. Besonders die Performance Crinolettes – Gyration Resistance (2019) von Magnetoceptia aktualisierte diesen Aspekt mit feministischen Bezügen. Ein angefertigter Reifrock aus Federstahl dient den Musiker- und Performerinnen Patrizia Ruthensteiner und Dewi de Vree als Radiowellenempfänger. Die körpergroßen Sphären fangen Signale aus der Luft, die sich zu ortspezifischen Kompositionen zusammenfügen. So wird das vormals einzwängende Korsett zum Werkzeug musikalischer Befreiung.

Magnetoceptia: Crinolettes – Gyration Resistance (2019). Photocredit: Stephan Brückler.
Headerbild auch von Stephan Brückler

Die CLUB RADIOKOJE wird auch in Zukunft übliche Konzertformate verlassen und einem breiten Publikum das Zwitschern, Brummen und Klingen von Soundkünstler- und Musiker*innen zugänglich machen.

Lona Gaikis 6. August, 2019