MYCOLYRA

Bild: Aled Ordu, 2024.

English

Mycolyra — Eternity in Sustaining Oscillations

Aus der Serie „MycoMythologies Series“ (2020-fortlaufend).
Kinetisches Klangobjekt, Bio-Partitur, Holz, Metall, Instrumentensaiten, Pilzmyzel, Sensoren, Motor, Sound.

Dieses Klanginstrument schlägt eine Brücke zwischen Mythologie und Mykologie*. Die antike Überlieferung des Helden Orpheus, der in die Unterwelt hinabsteigt, um den Gott Hades durch den Klang seiner Lyra dazu zu bewegen, seine Frau Eurydike gehen zu lassen, findet einen ungewöhnlichen Widerhall in der transformativen Kraft des asiatischen Reishi- oder Lingzhi-Pilz (lat. Ganoderma lingzhi). Der wird wegen seiner lebensverlängernden Wirkung in der traditionellen chinesischen Medizin „Pilz der Unsterblichkeit“ genannt.

Der betörende Klang von Orpheus‘ Lyra und die heilsame Wirkkraft des Reshi stehen – metaphorisch und stofflich – für die Überwindung des Todes. Klang und Wirkstoff sollen uns von der Linearität der Zeit entbinden. Was wäre nun, wenn sich beides in einem Instrument vereint?

Die Mycolyra ist die Verschmelzung des sagenumwobenen Instruments mit den biologischen Prozessen des Pilzgeflechts. Die Schwingung der Saiten werden durch die Vitalfunktionen des Pilzes angetrieben. Ihr Klang verbindet die Sphären von menschlicher und anders-als-menschlicher Resonanz in einer durchgehenden und zeitlosen Schwingung.

ARTIST’S STATEMENT

„Das Klanginstrument Mycolyra verbindet die Legende von Orpheus’ Leier mit den Eigenschaften des Ganoderma lucidum-Pilzes, auch bekannt als Reishi oder Lingzhi-Pilze.

Die Legende von Orpheus, der nur mit seiner Leier bewaffnet in die Unterwelt hinabsteigt, beschwört unsere kollektive menschliche Sehnsucht, die Vergänglichkeit des Lebens zu überwinden. Die mythologische Reise des Orpheus steht im Einklang mit dem transformativen Potenzial, das Reishi-Pilzen zugeschrieben wird, die wegen ihrer gesundheitsfördernden und lebensverlängernden Eigenschaften so begehrt sind, dass sie als „Pilze der Unsterblichkeit“ bezeichnet werden. Sowohl die Leier des Orpheus als auch die Ganoderma lucidum-Pilze stehen somit metaphorisch und materiell für das Streben nach Unsterblichkeit und die Befreiung von den Zwängen der linearen Zeit. Was aber, wenn sich der Klang der anhaltenden Schwingungen einer Saite, geformt durch ein elektrisches Signal aus verschlungenen Netzwerken von Ganoderma lucidum, zu zyklischen Momenten ausweiten und die lineare Zeit effektiv anhalten könnte? Wenn wir das Streben nach Unsterblichkeit als eine Suche nach Ewigkeit verstehen, könnte die Ewigkeit vielleicht tatsächlich in den anhaltenden Schwingungen des Klangs ihren Ausdruck finden?“

Bild: Aled Ordu, 2024.

SAŠA SPAČAL

Die post-media Künstlerin und Erforscherin von Lebenssystemen, Saša Spačal, lebt und arbeitet entfernt vom menschlichen Trubel in einem Waldgebiet in der Nähe von Ljubljana. Sie entwickelt Installationen und Performances, die mit Fauna, Flora und Funga* interagieren. Dabei sucht sie gezielt nach Momenten der Co-Kreation mit nichtmenschlichen Spezies.

* Funga (Kunstwort aus Fungi und Flora): Funga ist ein neu geprägter Begriff, der die globale Gemeinschaft der Pilze bezeichnen soll, ähnlich wie Flora für Pflanzen und Fauna für Tiere steht. Dieser Begriff ist Teil eines zeitgenössischen Bestrebens, die Umwelt anhand von Artenkollektiven zu verstehen.

* Mykologie: Wissenschaft der Pilze. Sie haben hybride Eigenschaften zwischen Tier und Pflanze: ortsgebunden betreiben sie keine Fotosynthese, sondern verdauen organisches Material durch Enzyme außerhalb ihres Körpers. Ihr Fruchtkörper besteht aus Eiweiß und sie können in völliger Dunkelheit überleben.