SONIC CELL 2025 / Josefstadt

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SONIC CELL

Künstler*innen: Islaja (FIN), Lucy Duncombe (UK) und Feronia Wennborg (NO), Daphne von Schrader (AT). 

Auf der Suche nach einer eigenen Form der Synchronisierung mit dem diesjährigen Quantenjubiläum widmet sich die Ausgabe 2025 von SONIC CELL künstlerischen Praktiken, die auf aktuelle technologische, materielle und gesellschaftliche Fragestellungen reagieren. Durch die Öffnung des öffentlichen Schlesingerplatz im 8. Wiener Gemeindebezirk für die Künste aktiviert dieses Projekt die Nachbarschaft, indem sie neue klangliche Atmosphären erleben lässt.

Donnerstag, 24. Juli 2025, 19:00-22:00 Uhr.

Aufgrund von Wetterwarnungen hat sich das neu eröffnete Café Florianihof bereit erklärt, uns für diese Ausgabe zu beherbergen.

Café Florianihof 
Florianigasse 45, 1080 Wien
19:00–22:00

Eintritt frei.

Fotograf: Aled Ordu.

ÜBER DIE KÜNSTLER*INNEN
ÜBER DAS FORMAT

#quantumeffecting

Nachdem sie es sich in ihrem Schwebezustand bequem gemacht hat – als bedeutendste Fundamentaltheorie der Neuzeit, die sich jedoch sowohl dem gänzlichen Verständnis als auch der intuitiven Annäherung entzieht –, ist die Quantenmechanik zu einer inspirierenden, aber immer noch schwer zu fassenden Begleiterin künstlerisch-forschender Praxis geworden. Initiiert durch die frühen Ausführungen des deutschen Experimentalphysikers Felix Auerbach in den 1920ern zu Raum, Zeit, Materie und Energie – damals im Dialog mit den europäischen Avantgarden, deren paradigmatische Weltanschauung das 20. Jahrhundert überdauert hat –, findet sie heute Eingang in künstlerischen Ansätzen wie dem Quantum Listening (vgl. Pauline Oliveros) oder entfaltet identitätsstiftendes Potenzial in Quanten-futuristischen Visionen (vgl. Rasheedah Phillips). Die Quantenwende hat unser Fragen nach den Grenzen von Wissen und Wahrnehmung maßgeblich beeinflusst und zugleich die Rolle der Sinne für das rationale Denken sowie die grundsätzliche Unfassbarkeit des Wirklichen hervorgehoben.

SONIC CELL begreift nun das Zuhören als mögliche Auseinandersetzung mit der physischen und psychologischen Reichweite von Resonanz. Umringt von einem acht kanaligen Lautsprechersystem werden drei Musiker*innen Bereiche erkunden, die sich metaphorisch auf quantenmechanische Effekte beziehen – darauf, wie diese mit der Wirklichkeit interferieren und (über-)natürliche Phänomene modulieren oder übertragen.

#artisticentanglements [#kuenstlerischeVerschraenkungen]

Islaja, die finnische Künstlerin Merja Kokkonen, untersucht mit ihrer letzten Veröffentlichung Angel Tape das technologische Erfassen der rein spirituellen Wesen, die in den 1980er Jahren aufgenommen, hundertfach kopiert und innerhalb religiöser Kreise zirkuliert wurden. In Anlehnung an das Paradox von Thomas von Aquin, dass zwei Engel nicht denselben Ort einnehmen können, wird jede Kopie des Tapes zum Zeugnis des Clashs zwischen Glauben und Naturwissenschaft, bei der das Heilige durch das technologische Medium zugleich verstärkt und erodiert. Wie bei der für die Quantenphysik typischen Superposition existieren die Kopien der Engel in einem Zustand der Überlagerung – sie sind zugleich materiell und immateriell. Während in der Physik die Superposition als Gleichzeitigkeit von Welle und Partikel die Lokalisierbarkeit eines Photons aufhebt, eröffnet die mystische Klangpräsenz der Engel auf der Kassette Merja die Möglichkeit, den metaphysischen Widerspruch von Materie und Geist zu brechen. Diese unwirkliche Dynamik spiegelt sich auch in den Doppelgängern von Lucy Duncombe und Feronia Wennborg wider, die mit der unheimlichen Eigenlogik von KI-Stimmenklon-Software (Descript) und deren nicht linearen Funktionen experimentieren. Sie greifen Fragen nach potenziellen Multiversen und parallelen Interferenzen auf, indem sie durch ihre Arbeit mit individualisierten Stimm-Agent*innen Fragmente des technologischen „Anderen“ in unsere Wahrnehmung übertragen. Lucy und Feronia fragen, was kommuniziert eigentlich mit uns, wenn Stimmen zu Datensätzen werden und der fundamentalste Ausdruck des Menschlichen – die Stimme – schematischer Abstraktion unterliegt?

Daphne von Schrader wiederum begreift die Stadt als ein Multi-Spezies-Konglomerat – eine sedimentierte Verdichtung von Körpern, Daten, Pilzen, Kabeln, Wassern und Abgasen, in dem die Bewohnerinnen als diffuse Betreiber eines kollektiven Organismus agieren. In diesem urbanen Gewebe entsteht Individuation nicht durch Abgrenzung, sondern durch das lebendige Mit- und Ineinanderwirken vielgestaltiger Akteur*innen, deren Interaktionen, Überschneidungen und zufällige Begegnungen das urbane Leben fortlaufend modellieren. Der öffentliche Platz wird zum pulsierenden Knotenpunkt, an dem sich Ökosysteme, Infrastrukturen und soziale Dynamiken verdichten, rhythmisieren und wieder zerstreuen. Daphne verwandelt den Schlesingerplatz in eine Bühne für flüchtige Allianzen und spontane Choreografien. Sie zeigt die Bewegungen von Individuation und Verschränkung auf.

Gefördert von der Stadt Wien MA 7 Kultur sowie der Bezirkskultur Josefstadt.